Wer nicht nur gelegentlich Pizza machen möchte, der sollte sich einmal etwas detaillierter mit dem aus lediglich vier Zutaten bestehenden Wunderding beschäftigen. Du solltest nicht alles vorgekaut und als gegeben hinnehmen, doch du kannst auch schnell in Sphären vordringen, die wirklich zur Wissenschaft gehören – das ist aber auch nicht nötig.
Hier möchte ich dir auf möglichst laienfreundliche Weise erklären, was alles in einem Teig passiert, welche Parameter Einfluss darauf haben, und welche Auswirkungen das alles hat. Voraussetzung ist ein minimales Grundwissen darüber, was Nährstoffe wie Proteine (Eiweiße), Vielfach- und Einfachzucker, Enzyme und Mikroorganismen sind.
Pizza-Jargon
Vorweg möchte ich ein paar Begriffe und Abkürzungen aus dem Pizza-Jargon erläutern, die uns im Laufe des Exkurses immer wieder begegnen werden.
- Hydration (seltener Hydratation)
Wasseranteil im Teig relativ zur Mehlmenge, z.B. bedeuten 60% Hydration 600g Wasser auf 1.000g Mehl.
Ebenso werden Salz- und gelegentlich auch Hefe-Mengen prozentual basierend auf der Mehlmenge angegeben – dies hat den riesen Vorteil, dass man ein Rezept schnell mengentechnisch variieren kann. - Temperaturen
Es wird häufig in Hinblick auf lange Reifungen mit diversen Temperaturen gearbeitet. Wichtig dabei ist aber zu verstehen, dass wir letztlich von der Teigtemperatur reden, d.h. der Teig reift erst wirklich bei Temperatur X, wenn er diese auch erreicht hat, und das dauert je nach Teigmasse und Temperaturdifferenz natürlich unterschiedlich lange. Im Allgemeinen nutzt man folgende Temperaturangaben:- Raumtemperatur (RT)
Eigentlich klar, es handelt sich um die Temperatur im Raum. Diese schwankt jedoch u.U. beträchtlich, sodass ich immer von einem Mittel von 23°C ausgehe, wie es die Regularien für die Echte Neapolitanische Pizza vorgeben. - Kontrollierte Temperatur (KT)
Darunter versteht man im Grunde nichts Anderes als Kühlschranktemperatur – diese liegen i.d.R. zwischen 4°C und 7°C.
- Raumtemperatur (RT)
- Echte Neapolitanische Pizza („Verace Pizza Napoletana“, kurz „VPN“)
Es handelt sich dabei um eine international geschützte „Marke“, genauer gesagt eine „garantiert traditionelle Spezialität“. Diese darf nur nach Erteilung einer Lizenz durch die „Associazione Verace Pizza Napoletana“, kurz „AVPN“, als solche verkauft werden. Die Lizenz erhält man wiederum nur, wenn alle Produktionsbedingungen genaustens erfüllt werden, die sich in einem 14-seitigen Regularien-Dokument wiederfinden, welches du hier herunterladen kannst.
Grundlegendes Prinzip des Pizzateigs
Ein einfacher Pizzateig besteht ja aus vier Komponenten. Jede dieser Komponenten hat mindestens eine essenzielle Funktion und ist daher für den Teig wichtig. Das Zusammenbringen und das korrekte Verarbeiten dieser Komponenten setzt dabei viele unterschiedliche Prozesse in Gang, die wir uns zunutze machen.
In ganz einfachen Worten zusammengefasst passiert Folgendes:
Gluten-Bildung
Durch die Verbindung mit Wasser entsteht aus zwei Proteinen (Gliadin und Glutenin) das sogenannte Klebereiweiß, auch bekannt als Gluten.
Das Kneten des Teigs sorgt dafür, dass die entstehenden Glutenmoleküle miteinander „verwoben“ werden, sodass sich ein „Glutengerüst“ bildet. Dieses ist extrem wichtig für den Teig.
Gärung
Die Hefe im Teig ernährt sich während von Zuckern (Vielfachzucker wie Stärke, und mit der Zeit daraus entstehende Einfachzucker). Dabei vermehrt sie sich und scheidet als Stoffwechselprodukte u.A. Kohlendioxid (CO2), bekanntermaßen ein Gas, aus, sodass der Teig auflockert. Das bedeutet, es bilden sich Gasbläschen im Teig, der sich dadurch ausdehnt und insgesamt weniger steif wird.
Das Glutengerüst hält während dieses Prozesses den „Laden“ zusammen. Die Gasblasen können nicht entweichen und der Teig bleibt in Form. Dies geht natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, weshalb es eben so unfassbar wichtig ist, dass wir ein ausgeprägtes und starkes Glutengerüst ausbilden. Salz unterstützt das Glutengerüst zusätzlich, indem sich Salz-Ionen zwischen die Kleberstränge setzen und dadurch den Stand und die Gärtätigkeit verbessern. Es ist also nicht nur ein Geschmacksgeber.
Reifung
Die Gärung ist ein wesentlicher, aber nicht der einzige (wenn auch der wohl schnellste) Bestandteil der Reifung. So finden noch viele weitere Prozesse im Teig statt, darunter enzymatische Aktivitäten, d.h. bei Kontakt des Mehls mit Wasser aktivieren sich Enzyme wie:
- Amylasen
Diese spalten Vielfachzucker, wie z.B. Stärke zu Einfachzuckern, die für die Hefeaktivität benötigt werden, und - Proteasen
Diese spalten Eiweiße und fungieren so im Prinzip als eine Art Vorverdauung. Ein lange Reifung vereinfacht damit unserem Magen die Verdauung.
Gluten ist zwar auch ein Protein, wird aber nur sehr begrenzt in Mitleidenschaft gezogen.
Einflüsse verschiedener Parameter
Es gibt verschiedene veränderliche Parameter, die auf verschiedene Art Einfluss auf unseren Teig haben, und diese sollten immer als Gesamtkonstrukt betrachtet werden. Veränderst du einen, musst du die anderen anpassen. Es gibt tatsächlich auch Rechner, die dir die idealen Parameter und Zutatenmengen ausrechnen.
Temperaturen
Die Temperaturen sind einer der Schlüssel für so ziemlich alles im Teig. Mit ihnen können wir die Abläufe im Teig mehr oder weniger koordinieren und ein wenig Magie versprühen. Das Prinzip ist auch hier wieder einfach:
Hefe fühlt sich bei höheren Temperaturen wohl. Die höchste Aktivität findet ungefähr um die 35°C statt, darunter und darüber baut sie relativ schnell ab.
Nun arbeitet die Hefe bei durchschnittlichen Raumtemperaturen trotzdem noch immer viel schneller als die Enzyme, und um ihr etwas Einhalt zu gebieten und gleichzeitig dem Teig nicht zu schaden, bieten sich deutlich kühlere Temperaturen an. Die enzymatischen Prozesse verlangsamen sich nämlich bei weitem nicht so stark wie die Hefeaktivität.
Entsprechendes Gerät hat mit dem Kühlschrank zudem jeder daheim, sodass wir ohne weiteres Zutun optimale Voraussetzungen schaffen können, um einen Teig lange reifen zu lassen. Dies kommt sowohl dem Geschmack (und Duft) als auch der Verdaulichkeit zugute, und nicht zuletzt lässt sich ein ordentlich gereifter Teig auch sehr gut ausbreiten.
Zeit
Die Zeit ist, wie oben schon bei den Temperaturen herauszulesen, ein weiterer wichtiger Faktor. Die Reifung des Teigs passiert nicht plötzlich, sondern benötigt einfach diverse Stunden. Natürlich können wir Temperaturen und/oder Hefemengen erhöhen, um den Teig schneller aufgehen zu lassen, aber dann fehlt es dem Teig eben an Geschmack und er liegt schwerer im Magen.
Bei der Echten Neapolitanischen Pizza empfehlen die Regularien eine Reifezeit von mindestens 8 und höchstens 24 Stunden. Ich möchte erwähnen, dass hier die Temperatur auf 23°C festgelegt ist und daher über die Hefemengen die Hefeaktivität an die Reifezeit angepasst wird – ein gutes Beispiel dafür, wie alles miteinander korrelliert.
Tatsächlich scheiden sich bei der idealen Reifezeit die Geister. Manche sprechen von 12 Stunden, während andere auf 72 Stunden schwören. Es kommt natürlich auch wieder aufs genutzte Mehl und die gewählte Hydration an. Ein gutes Maß für den Einstieg würde ich – ganz subjektiv – auf 24 Stunden beziffern.
Hefemenge
Klarer Fall: Viel Hefe wird auch viel Hefeaktivität bringen, aber wie oben beschrieben, entfernen wir uns damit vom Optimum. Die Hefe vermehrt sich auch bei ihren Wohlfühltemperaturen relativ stark, sodass wir bei langen Reifezeiten mit längeren Raumtemperatur-Phasen mit weniger Hefe auskommen.
Ansonsten laufen wir Gefahr, dass die Hefe sämtliche Nährstoffe auffrisst und der Teig dann in die sogenannte Übergare gerät (zu erkennen an dicken Blasen und schlaffem Aussehen), oder wir müssen den Teig verarbeiten, bevor er wirklich die optimale Reife erreicht hat.
Hydration
Die Hydration hat keinen großen direkten Einfluss auf die Prozesse im Teig.
Je nach Mehl, Verarbeitung, Reifezeiten- und Temperaturen wird sich die Hydration jedoch in der Weiterverarbeitung bemerkbar machen. Bei langen Kühlschrank-Reifephasen verändet sich beispielsweise durch die Reifung die Teigstruktur und eine relativ hohe Hydration führt dann zu einem deutlich feuchteren, klebrigeren Teig.
Ein relativ feuchter Teig benötigt wiederum eine längere Backzeit, um eine gummiartige Konsistenz zu vermeiden. Um die Pizza am Ende im Ofen nicht zu verbrennen, sollten in dem Fall niedrigere Temperaturen gewählt werden.
Kneten
Das Kneten hat, wie auch die Hydration, keinen wirklichen Einfluss auf die Prozesse im Teig.
Richtig angewendet, bilden wir jedoch mit dem Kneten ein starkes Glutengerüst aus, das letztlich der Stabilität des Teiges dient, sodass er in Form bleibt und weder abflacht noch feucht und klebrig wird.
Ein paar Tipps zur Handhabung
Bitte denke daran, dass ein Teig auf jede Anwendung von Kraft reagiert. Besonders beim Dehnen wird der Teig (oder eher das Gluten darin) „nervös“, d.h. zäh und elastisch – er wird sich tendenziell in seine ursprüngliche Form und Größe zurück ziehen.
Daher ist es sehr wichtig, den Teig mindestens 10 Minuten, besser länger, ruhen zu lassen, nachdem er in irgendeiner Weise gedehnt worden ist. Beispielsweise würde ich absolut davon abraten, eine Teigmasse unmittelbar vor dem „Öffnen“ (dem Ausformen des eigentlichen Teigfladens), in Einzelportionen zu schneiden – egal, wie wenig Zeit du hast. Selbst wenn du den Teig erst nach 2 Stunden Ruhe öffnest, es dabei aber übertreibst, kann er sehr stur werden.
Also braucht es neben ausreichender Zeit auch noch die richtigen Techniken und Kraftdosierungen. Mehr dazu folgt bald!